Blog

Mathe - Teil II

Mathe - Teil II

André, 12.05.2016

In meinem Artikel Mathe - Teil I habe ich versucht zu verdeutlichen, wie der rein methodische Ansatz die Förderung von Mathe und Naturwissenschaften (NaWi) eher zurückhält, als vorantreibt. Hat man diese Erkenntnis erst einmal verinnerlicht, stellt sich als nächstes die goldene Frage: Wie kann es anders gehen?

Als ich mich erstmals ernsthaft mit der Vermittlung/Förderung von Mathe und NaWi beschäftigte*, merkte ich ziemlich schnell, wie einfach es eigentlich sein kann. Ich erkannte nämlich, wie omnipräsent Mathe und NaWi in unserem Alltag sind. Diese Bereiche tauchen ständig auf - in den Nachrichten, in der Politik, in der Küche, in unseren Unterhaltungen und in unseren täglichen Erfahrungen. Schüler wünschen sich mehr Realitätsbezug. Warum geben wir ihnen nicht einfach genau das?

* Für einen spaßigen Einstieg in die Vermittlung von Mathe/NaWi empfehle ich sehr die Serie Unser Kosmos: Die Reise geht weiter mit Astrophysiker Neil de Grasse Tyson.

Mit dieser Fragestellung fing vor etwa einem halben Jahr die Lernbegleitung in der Lernwerkstatt an. Wir unterstützen junge Menschen in ihrer schulischen Laufbahn. Im Unterschied zur klassischen Nachhilfe wollen wir in der Lernwerkstatt auch den individuellen Lernprozess junger Menschen begleiten. Bisher hat sich unser Ansatz bestätigt, denn junge Menschen haben natürlich Interessen und Probleme, die nicht in den schulischen Rahmen passen.

Wir können uns allerdings noch nicht komplett lösen von der schulbegleitenden Lernunterstützung. Es hängt einfach noch zu viel von der Schulkarriere ab. Die Probleme in der Schule haben deswegen Priorität. In einer Gesellschaft, in der man ohne Abitur nicht studieren kann und ohne mittlere Reife keinen Ausbildungsplatz bekommt, hat ein Schulzeugnis eine sehr hohe Bedeutung. Junge Menschen hören ständig: Lerne für deine Zukunft! Sie fragen sich aber natürlich: Wann darf ich endlich mal für meine Gegenwart lernen?

Träges Wissen ist Wissen ohne Kontext. Man kann es nicht einsetzen, es bleibt träge. Formeln und Rechenwege sind für Schüler träges Wissen. Sie haben diese ohne Kontext kennengelernt. Sie können dieses abstrakte Wissen nicht mit ihrem Alltag verbinden. Die Lösung liegt eigentlich auf der Hand: Mehr Kontext. Der höhere Zeitaufwand, um Kontext für das Wissen vorzubereiten, wird belohnt durch mehr Motivation seitens der jungen Menschen. Motivation ist die Grundlage für eine erfolgreiche Förderung von Mathe und Naturwissenschaften.

In der Lernbegleitung der Lernwerkstatt wird ständig über schulische Themen hinaus gelernt. Neulich unterhielt ich mich mit einem 8.-Klässler und einem 10.-Klässler über globale Erderwärmung. Sie wussten nichts über das Thema, da sie es in der Schule bisher nie behandelt haben. Der 8.-Klässler wusste auch nicht, was Kohlenstoffdioxid (CO2) ist, weil das erst später im Chemie-Unterricht auf dem Lehrplan steht. Sein Glück war, dass es total egal ist, genau zu wissen was CO2 ist, um den Treibhauseffekt zu verstehen. Wie das Treibhausgas entsteht und wie es zur globalen Erderwärmung führt, kann man auch ohne dieses Wissen nachvollziehen.

Wir konnten leider nicht lange über das Thema reden. Es gab Hausaufgaben. In der Lernbegleitung stellen wir uns täglich diesem Spagat zwischen Schule und dem Leben der jungen Menschen außerhalb der Schule. Es ist sicherlich nicht optimal, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die beiden Jungs sind an diesem Tag wenigstens mit vielen neuen, wichtigen Fragen aus der Lernwerkstatt gegangen. Ihre Hausaufgaben haben sie auch besser verstanden. Sie spüren hin und wieder: Verstehen macht Spaß.

Lernbegleitung ist ein Versuch es anders zu machen. Unser kommendes Projekt Mathe x Kunst ist ein weiterer. Das Ziel des Projekts liegt darin, Formate für Workshops und Schulen zu entwickeln, die sich am Schnittpunkt von Mathe/NaWi und Kunst bewegen. Wir wollen einen spielerischen, sinnlichen und anschaulichen Zugang zu den scheinbar trockenen und ungeliebten 'Fächern' Mathematik und Naturwissenschaften wagen.**

** Vielen Dank an unser Mitglied Ursula für die Beschreibung unseres Projektes Mathe x Kunst. Wir gehen demnächst auf Suche nach MitgestalterInnen für das Projekt. Haltet die Augen offen!

Wenn der gegenwärtige Ansatz nicht mehr funktioniert, dann muss man eben etwas anderes ausprobieren. Gut, dass die Lernwerkstatt ein Ort des Ausprobierens ist.